Presse
Artikel Badische Zeitung 25. Januar 2010
Statt betteln Socken stricken
Viscri – ein Sockendorf in Europa / Der Verein Insopro unterstützt das Selbsthilfeprojekt in Rumänien
Die Macher an einem Tisch (von links): Projektleiterin Gabriele Gottschall, zwei Mitarbeiterinnen des Projekts und Projektgründer Harald Riese. Foto: privat
STEGEN. Ein großes Sockenlager befindet sich seit Kurzem in den Räumlichkeiten des Vereins Institut für soziale Projekte (Insopro) in Stegen. Hunderte von reinen Schafswollsocken, Haussocken und Filzschuhen kommen aus Rumänien nach Stegen. Der Gründer des Projektes "Viscri-Socken”, Harald Riese, berichtete im Gespräch mit der BZ über die Anfänge dieses Sockenlagers.
Zusammen mit seiner Frau Maria Westerveld hat er das Projekt "Viscri-Socken” im Jahr 1993 ins Leben gerufen. Eines Morgens kam Leana nicht wie sonst zum Betteln vorbei. Sondern zum Tauschen. Sie kam in den Garten und zog ein paar selbst gestrickte Socken aus dem Mantel, die sie gegen ein Flache Öl tauschen wollte. Umgerechnet fünf Mark, den Lohn für zwei Tage Arbeit im Kuhstall, bot ihr der Nachbar Harald Riese, der gerade Besuch aus Deutschland hatte. Auch seinen Gästen gefiel die Ware, und sie orderten gleich mehrere Paare.
Schnell hatte sich diese Möglichkeit im Dorf herum gesprochen und bald wurden Socken geliefert, die sich in Deutschland sehr gut verkauften. Wenn man viele dieser Socken an Touristen oder gar gleich nach Deutschland verkaufen würde, ließe sich damit ein Lebensunterhalt erwirtschaften.
Mit dem Überschuss wurde eine eigene Spinnerei gekauft
Eine Idee war geboren: Socken aus Viscri, eine Art Hilfe zur Selbsthilfe. Die Frauen in Viscri erwirtschafteten schnell einen finanziellen Überschuss, der zum Kauf einer eigenen Spinnerei verwendet wurde.
Aber auch das Dorf profitierte von dem florierenden Socken-Geschäft, es wurde eine Suppenküche eingerichtet und Hausaufgabenbetreuung für die Kinder angeboten.
Heute stricken rund 80 Frauen im Dorf Socken oder filzen Schuhe und verdienen sich damit eine Art Grundeinkommen. Reich werden die Arbeiterinnen mit ihrer Tätigkeit nicht, aber sie genießen einige Privilegien, die auf dem Land in Rumänien keine Selbstverständlichkeit sind, wie zum Beispiel Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung.
Zusätzlich erhält jede Familie einer Strickerin im Todesfall ein Beerdigungsgeld. Die Textilien werden inzwischen in größerem Umfang in Deutschland auf Kirchen- und Weihnachtsbasaren und auf Bestellung verkauft. Ein "Sockenlager" entstand, um die eingehenden Bestellungen besser bedienen zu können. Bis auf die Strickerinnen selbst arbeiteten alle Beteiligten ehrenamtlich an dem Projekt mit.
Die jetzigen Hauptverantwortlichen Gabriele Gottschall, Michaela K. und Silke M. ergänzten die Ausführungen von Harald Riese mit den Details der momentanen Situation.
Die gemeinnützige Organisation Insopro nahm das Projekt "Viscri-Socken” im Jahr 2008 in ihre Konzeption mit auf. Ziel des Vereins "Insopro" ist es, mit der Übernahme des "Sockenlagers" und den damit verbundenen Aufgaben die Unterstützung des Projektes "Frauen stricken Socken" in Viscri einerseits sowie andererseits durch seine Beschäftigungs-, Beratungs-, und Bildungsangebote die berufliche und soziale Integration benachteiligter Menschen im Landkreis Breisgau- Hochschwarzwald zu fördern.
Von dem neuen Sockenlager sollen weiterhin viele Socken an frierende Menschen verschickt werden, erklärte Gabriele Gottschall. Außerdem können die handgearbeiteten Socken auf Märkten der verschiedensten Art erworben werden.
Institut für soziale Projekte e.V., Hauptstr. 45, 79346 Endingen, Telefon 07667 9299564
Es gibt natürlich nicht nur Socken, sondern auch Taschen, Schuhe, Hüte und Anderes. Foto: Johanna Gregetz
Autor: Johanna Gregetz